Das Rheingold, Das Opernglas, März/2015

 

Von S. Barnstorf

 

Auch der »Ring« in Dessau ist nun vollendet. Begonnen im Jahr 2012 mit der »Götterdämmerung« und somit „rückwärts" inszeniert, ist er zu Beginn als „Bauhaus-Ring" tituliert worden. Aber ist er das wirklich? Die »Götterdämmerung« hatte dieses Bild geprägt mit der aus einem sich drehenden Würfel entstehenden Bauhaustreppe Oskar Schlemmers als Walkürenfelsen und Walhall, dem rekonstruierten schwarzen Quadrat auf weißem Grunde von Kasimir Malewitsch als permanentem Guckloch ins Drama, der Schauspielart der sogenannten Biomechanik des russischen Schauspielers und Regisseurs Wsewolod Meyerhold — das mochte in der Bauhausstadt Dessau als willkommener Aufhänger dienen.

 

In der Folge zeigte sich aber, dass Regisseur Andre Bücker vielmehr Film und Medien interessieren, und er sie in Bezug setzt zu den Elementen jener Überwinder der klassischen Kunst, also den Neutönern im musikalischen Sinne (Schlemmer hatte auch Bühnenbilder für Arnold Schönberg gestaltet). Ein auf der Spitze aufgestellter, blitzender Würfel ist das Rheingold, umhüllt von einer Filmrolle, die die Sicht auf den Schatz ermöglicht, als die Rheintöchter ihr Gold besingen, was an den Filmvorspann einer großen Film-Produktionsfirma erinnert.

 

Die Bauhaus-Elemente in diesem »Ring« dienen dazu — das zeigte sich verstärkt seit dem »Siegfried« im Frühjahr 2013 —, um die Rolle der Medien mit ihrer Herkunft und Geschichte zu beleuchten. Computerspiele im »Siegfried«, Filmzitate großer Leinwandepen in der »Walküre«. Es ist ein „Medien-»Ring«", und wie sich Medien zum Bauhaus verhalten, dafür findet Bücker gleich zu Beginn in der Projektion alter Gemälde auf den Ringhorizont der Bühne, der auch eine Filmrolle sein könnte, eine simple Erklärung: Es sind die Mittel der jeweiligen Epochen, mit denen sich Kunst Ausdruck verleiht. Seien es die ersten Zeichnungen, Hieroglyphen und Symbole der Menschen, Gemälde wie das des Medusenhaupts vor der Verwandlung Alberichs in den Riesenwurm, die Kriegs(kunst)bilder des toten Che Guevara oder der ersten Atombomben zum Fluch Alberichs: Das »Rheingold« entpuppt sich damit als Parforceritt durch die Kulturgeschichte, gleichsam die Klammer bildend für die vorangegangenen Teile.

 

Ihre Stärke bezieht die Inszenierung aus den Stellen, wo augenzwinkernd ernst (aber nie verballhornend) die Protagonisten interagieren, und wo der Filmfan Bücker Filmzitate und -figuren einbaut. Geschauspielert wird viel in Dessau, und daran hat vor allem Ulf Paulsen als Wotan einen großen Anteil: Mit ungeheurer Witzigkeit und Vielseitigkeit gelingt ihm eine grandiose Studie des Göttervaters, die er vielleicht etwas überengagiert begann, weshalb er dem furiosen Beginn am Ende etwas Tribut zollen musste. Rita Kapfhammer als Fricka zeigte nochmals nachdrücklich ihr Können mit einem sicher-strömenden, nuanciert-differenzierten Rollenporträt.

 

Die von Alberich – Stefan Adam sang geschmeidig und präzise – geknechteten Nibelungen sind Kinder, die für Comics Bilder in Massen produzieren müssen. Der Mime von Ivan Turšić lieferte dazu den passend flexibel geführten, klaren und kräftigen Tenor vor dem sich bereits weiterentwickelnden Hintergrund als Wunderrad (Phantaskop), welches im 19. Jahrhundert die ersten bewegten Bilder auf einer sich drehenden Scheibe produziert hatte. Das zur goldenen Filmrolle geschmiedete Rheingold lässt die scheinbare Walt-Disney-Märchen-Idylle beenden und der bewegte Film hält Einzug - Hollywoods Filmindustrie entpuppt sich als kapitalisierte Kunst für die Massen. Freia, die die Götter stets mit einer aufputschenden Drogentinktur versorgt (Angelina Ruzzafante mit etwas indifferenter Darbietung), wird mit diesen goldenen Filmrollen aufgewogen, und nur die Erda von Anja Schlosser mit ihrem jugendlich schneidenden, vehementen, aber auch balsamisch nuancierten Alt vermag den zunächst irrlichternden Göttervater zur Raison zu bringen.

 

Die Riesen lieferten mit Stephan Klemm als melancholisch-deutlich prononcierendem Fasolt und Dirk Aleschus als Fafner mit dunklem Bass die jeweils für ihre Partien adäquaten Rollenporträts, David Ameln als Froh mit dem Regiekonzept entsprechendem deutlich vorgetragenen, ironisierend-scharfen Tonfall in seiner charaktervoll-brüchigen Stimmgebung eine ungewohnte, aber sehr treffende Interpretation. Albrecht Kludszuweit gab den Loge mit nachdrücklich spielerischer, aber differenziert ausladender Stimme. „Immer ist Undank Loges Lohn" geriet ihm zu einer farbigen Schilderung mit schillerndem Tenor. Die Rheintöchter gaben mit der kurzfristig eingesprungenen Katharina Göres (Woglinde), Jagna Rotkiewicz (Wellgunde) und Anne Weinkauf (Floßhilde) ein gut harmonisierendes Trio ab.

 

Generalmusikdirektor Anthony Hermus lieferte mit seiner Anhaltischen Philharmonie Dessau eine ansprechende und vielseitige Interpretation mit teilweise gedehnten und variablen Tempi. Das Vorspiel gestaltete er schwelgerisch, ebenso den Einzug der Götter nach Walhall, und die Verwand-lungsmusiken entfalteten eine durchaus differenzierte Sogwirkung mit spannungs-vollen Crescendi.

 

Am Ende wurden sämtliche Beteiligten gefeiert. Mit stehenden Ovationen frenetisch bejubelt wurden jedoch die zum Saisonende scheidenden Herren Hermus und Bücker.