Der Neue Merker

ESSEN/ Aalto-Theater: DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN. Premiere

 

by ac | 22. November 2015 16:20

 

ESSEN: DIE LIEBE ZU DEN DREI ORANGEN              Premiere am 21.November 2015

 

Unter den fünf Neuinszenierungen des Essener Aalto Musiktheaters in der laufenden Saison gibt es gleich drei Übernahmen von anderen Bühnen. Bei Stefan Soltesz wäre eine solche Programmgestaltung nicht denkbar gewesen, wobei dieser Hinweis aber nicht als “spitze“ Bemerkung aufgefasst sei. Wenn eine vorbildliche Produktion die Runde macht und zusätzliche Zuschauer erreicht, ist das ja nur zu begrüßen. Im Falle von Sergej Prokofjews „Die Liebe zu den drei Orangen“ steht zu vermuten, dass Tomas Netopil, Chef der Essener Philharmoniker seit 2013, eine Empfehlung ausgesprochen hat. Er hat die Originalpremiere an der Nationalen Oper Amsterdam 2005 dirigiert und wird auch in Essen Vorstellungen leiten.

 

Die von Wsewolod Meyerhold bearbeitete Komödie Carlo Gozzis von den drei Orangen hatte Prokofjew im Gepäck, als er 1918 in die Neue Welt aufbrach, um hier eine neue Karriere zu starten. Die lockere Komödiendramaturgie entsprach seinen eigenen künstlerischen Intentionen, er wollte weg  vom psychologischen Drama, weg von romantischer Bedeutungsschwere. Das Sujet aus dem  Geist der Commedia dell’arte entwirft zwar ein in sich stimmiges Geschehen, doch wirkt dieses im Detail sprunghaft, mosaikartig, setzt immer wieder stark auf den theatralischen Effekt. Im Prolog der Oper gibt es eine heißblütige Chor-Diskussion um das „richtige“ Konzept.

 

Die Handlung ist zwar vom Tode zweier Prinzessinnen leicht beschwert, aber ansonsten sind die Vorgänge mit heiterer Ironie angelegt, sie geben sich witzig-würzig, gelegentlich auch lodernd zirzensisch. Königliches Personal und Höllenbrut treffen aufeinander, der Spaßmacher Truffaldino hat bei alledem lustig stolpernd seine Hand Spiel. Und er sorgt dafür, dass Ernstes nicht ins allzu Ernste ausartet. Der im Mittelpunkt der Oper stehende melancholische Prinz, ohne Fähigkeit zum Lachen dahin siechend, ist eh eine leicht komische Figur. Er bekommt die aus einer Orange entstiegene Ninetta zur Frau. Sie ist auf einmal da, mehr muss man gar nicht wissen. Die pikant-reizende Frauenfigur wird in Essen durch die ewig junge CHRISTINA CLARK und ihren lichten Sopran zu einem wahren Sonnenstrahl.

 

LAURENT PELLY hatte mit seiner Inszenierung in Amsterdam enormen Erfolg. Der wiederholt sich in Essen und wird vielleicht dazu führen, dass die kommenden Vorstellungen gut besucht werden. In der Premiere registrierte man so manchen leeren Sitz. Die Ausstattung von CHANTAL THOMAS erinnert mit ihren beweglichen Seitenwänden an die historische Soffittenbühne. Es dominieren Kleeblattmuster, eine passende Illustration für den Hof von König Treff. Die ganze Bühne wirkt wie ein mobiles Kartenspiel. Viel Fantasie auch bei den Kostümen, vom Regisseur entworfen. Vor allem der prächtig singende Chor darf sich mal so richtig partymäßig präsentieren.

 

Pellys Inszenierung quillt vor optischen Einfällen nur so über, man weiß mit den Augen oft nicht wohin. Warum auf der Bühne dieses und jenes geschieht, muss nicht immer akribisch hinterfragt werden, jedenfalls harmoniert es immer mit Stil und Geist der Komödie. Die Choreografie von LAURA SCOZZI (sie inszenierte kürzlich in Bonn „Benvenuto Cellini“ von Berlioz) trägt zu dieser quirligen Wirkung bei.

 

Vergnügen rundum somit im Aalto Theater, und auch die Sänger machen so richtig mobil. So TIJL FAVEYTS, der als König Treff mit seinem runden, substanzreichen Sarastro-Bass die vielleicht schönste Stimme des Abends präsentiert. Auf seinen Bühnensohn, den melancholischen Prinzen, hat das nicht so ganz abgefärbt. ALEXEY SAYPINs Tenor klingt reichlich eng, aber in Erscheinung und Spiel ist er ist ein Sunnyboy wie aus dem Bilderbuch. TELYA KASAHARA giftet als Fata Morgana wirkungsvoll, ALBRECHT KLUDSZUWEIT als wirbelnder Harlekin überbietet alle seine bisherigen Rollen. Auch die restlichen Mitwirkenden sind brillant: AN DE RIDDER (Clarissa), HEIKO TRINSINGER  (Leander), MARTIJN CORNET (Pantalon), BART DRIESSEN (Tschelio), BAURZHAN ANDSERZHANOV (Köchin), der per Video präsente GIORGIOS TATROU (Farfarello) und noch  etliche andere. Am Pult der ESSENER PHILHARMONIKER stand in der Premiere YANNIS POUSPOURIKAS, den Klangwitz der Musik kraftvoll herausarbeitend, nicht grob freilich, sondern mit reicher Differenzierung.

 

Christoph Zimmermann

 

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